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Jeden Tag tauchen neue Fragen rund um amazon auf. Viele Händler sind verunsichert oder noch nicht bereit sich den neuen Herrausforderungen zu stellen. Was liegt da näher als einen der renomiertesten amazon-Experten Adrian Hotz einmal detailiert zu befragen:
Ist amazon aus Deiner Sicht eigentlich schon in einer marktbeherrschenden Stellung?
Ja. Das Geschäftsmodell von Amazon ist aber sehr vielschichtig, deshalb sollte man das differenziert betrachten.
Zunächst einmal ist Amazon der größte Online-Händler der westlichen Welt. Wenn der Umsatz über den Marktplatz und der eigene Händler-Umsatz zusammengerechnet wird, dann verantwortet Amazon in Deutschland jeden zweiten Euro im eCommerce (Quelle: http://www.insideecommerce.de/2015/03/18/amazon-umsatz/). Das jährliche Wachstum von Amazon ist nach wie vor überdurchschnittlich in Relation zum Wettbewerb. So das man davon ausgehen sollte, dass Amazon in den kommenden Jahren mehr als 75 Prozent des deutschen eCommerce ausmachen wird. Wahrscheinlich sogar noch mehr, denn das was Google für Informationen ist und Facebook für soziale Beziehungen, ist Amazon für das Einkaufen. Natürlich resultiert hieraus eine marktbeherrschende Stellung. In einzelnen Sortimenten ist diese ausgeprägter als in anderen. Das Resultat ist: Wer sein Buch nicht über Amazon verkauft, wird mit Sicherheit kein Bestseller landen.
Darüber hinaus ist Amazon aber ein Ökosystem, welches immer weitere Geschäftsmodelle entwickelt. Zum Beispiel ist Amazon auch der größte Anbieter von Cloud-Speicher weltweit. Von A wie Airbnb bis Z, wie Zalando, mehr als eine Millionen Firmen hosten auf AWS. Darunter auch Tinder, Dropbox oder Konkurrenten im Bereich des Streaming-Angebots von Amazon wie Netflix. Hier ist Amazon kein Händler, kein Logistiker, kein Streamingdienst. Hier ist Amazon zur Infrastruktur des Internets geworden. Natürlich ist auch das eine marktbeherrschende Stellung und natürlich kann diese auch gegen Wettbewerber ausgenutzt werden. Aber da es aktuell keine Wettbewerber von Amazon’s Format gibt, wird dies auch nicht passieren.
Hast Du konkrete Beispiele wie sich das auswirkt?
Klar, zum Beispiel bei den Einkaufsgesprächen. Desto höher der Online-Umsatz mit Amazon eines Lieferanten ist, desto weniger Spaß machen die Einkaufsgespräche mit Amazon. Hier spielt Amazon, wie üblich im Handel, die klassische Nachfragemacht aus. Das geht bis hin zur Androhung von Eigenmarken und Auslistung. Desto größer der Anteil von Amazon am deutschen eCommerce ist und desto größer auch der Gesamtkuchen (eCommerce Anteil am gesamten Handel) wird, desto größer wird auch die Marktmacht von Amazon. Das was wir jetzt sehen, sind nur die ersten Anzeichen. Desto mächtiger Amazon wird, desto mehr Marktmacht wird auch gespielt. Dafür braucht man kein Hellseher zu sein.
Das kann natürlich auch so weit gehen, dass Konkurrenzprodukte einfach komplett aus dem Sortiment verbannt werden. Wie zuletzt auch von Amazon angekündigt in Bezug auf Apple TV oder den Google Chromecast. (http://www.golem.de/news/verkaufsverbot-bald-kein-chromecast-und-kein-apple-tv-mehr-bei-amazon-1510-116644.html)
In Deinem, für mich übrigens sehr erhellenden, Vortrag über amazon auf dem ECC-Networkingevent im Oktober hast Du erwähnt das Du für einen Kunden Recherchiert hast wie viel amazon an DHL für ein Paket zahlt. Kannst Du den Fall noch mal näher erläutern?
Wie haben in verschiedenen Projekten ausgerechnet ab welchen Preisdifferenzen Amazon anfängt Cross-Border-Sales zu fördern. Also Produkte in einem Land zu einem günstigeren Preis sourced, um sie in einem anderen Land zu verkaufen.
Das macht Amazon nur, wenn der Preiskorridor pro Produkt zwischen verschiedenen Länderorganisationen eines Lieferanten höher ist, als die Versandkosten pro Produkt in dieses Land. Dann lohnt es sich für Amazon die günstigeren Einkaufskonditionen in einem Land zu realisieren und die Produkte in einem anderen Land zu verkaufen. Aus unserer Erfahrung über verschiedene Projekte hinweg, kann ich sagen, dass der Versand eines 30kg Paket bei Amazon ungefähr mit Kosten von 1,60 € zu Buche schlagen wird. Logistiker bestätigen mir, dass das wohl schon sehr nahe an den Grenzkosten ist.
Für einen normalen Händler sind diese Konditionen ja schlichtweg nicht erreichbar. Glaubst Du das hier der Preis der zu verkaufenden Ware zukünftig einen größeren Einfluss auf den Erfolg bei amazon haben wird? Bei einem guten Lautsprecher für 500€ ist der Logistikvorteil sicherlich kleiner als bei einem HDMI – Kabel. Wird amazon daher ehr bei niedrig preisigen Produkten erfolgreich sein?
Das ist nur eine Frage der Zeit. Desto besser die Logistik und die Konditionen von Amazon werden, desto größer wird der Wettbewerbsvorteil von Amazon – Produktpreisunabhängig.
Sameday-Delivery, wie es in Köln ja schon angeboten wird, wird aus meiner Sicht der Wettbewerbsvorteil schlechthin werden. Da werden kleine Online-Händler nicht mithalten können und der stationäre Handel einer seiner zentralen USPs beraubt – der Verfügbarkeit. Für 5 Euro Aufschlag kann ich in Köln aktuell bis 12 Uhr bestellen und bekomme die Produkte am selben Tag zwischen 18 – 21 Uhr geliefert. Ein Ausflug in die Stadt ist da nicht günstiger und deutlich anstrengender. Sameday-Delivery von Amazon wird der Sargnagel für den klassischen Handel werden.
Es gibt ja viele Informationen und Gerüchte um eine amazon eigene Logistik. Wie konkret siehst Du diese Entwicklung?
Sehr konkret. Gerade sind ja in München die ersten Pilotprojekte gestartet (Quelle: http://www.amazon-watchblog.de/unternehmen/418-amazon-paketzustellung-deutschland.html ) In den USA gibt es ja auch schon verschiedene Projekte mit eigener Logistik z.B. Amazon Fresh oder Amazon Flex. In der Branche ist man sich sicher. Wenn man sich mit den Kollegen von Hermes und DHL unterhält, dann wird es wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis Amazon in Deutschland als Mitbewerber einsteigt. Das wird eine gigantische Herausforderung für deutsche Paketdienstleister. Denn wer Amazon kennt, weiß Amazon wird zunächst die eigenen Produkte ausliefern und im Anschluss die Dienstleistungen auch für Dritte anbieten. Für die Paketdienstleister steht also nicht nur ein Großkunde auf dem Spiel, sondern es formiert sich darüber hinaus ein sehr ernstzunehmender Wettbewerber.
Übrigens, hat Amazon bereits Jobs ausgeschrieben. Vielleicht ist da ja etwas Interessantes für Mitarbeiter von bestehenden Logistikdienstleistern dabei. 😉
Mit all Deinem Wissen rund um amazon, würdest Du einem Händler trotzdem Raten dort Heute noch einzusteigen und wenn ja warum?
Händler von Drittmarken werden auf Amazon keine Zukunft haben. Warum auch? Außer einen günstigeren Preis liefern Sie in diesem Ökosystem keinen Mehrwert. Das Geschäftsmodell von Händlern auf Amazon ist immer limitiert. Kurzfristig können Händler natürlich Ihren Umsatz über Amazon aufblasen. Sobald die Händler aber aus der Nische herauskommen und die Produkte auch attraktiv für den direkten Einkauf von Amazon werden, übernimmt Amazon das Geschäft selbst. Für Markenhersteller und vertikale Anbieter sieht das natürlich anders aus. Amazon ist für Marken der direkteste und einfachste Weg zum Kunden und für den Kunden der einfachste Weg zur Marke. Hier werden Kaufentscheidungen vorbereitet und getroffen. Marken müssen in dieser Mall präsent sein, keine Frage. Ohne Vorbereitung und Strategie würde ich jedoch keiner Marke empfehlen auf Amazon zu starten. Die Konsequenzen der schnell steigenden Abhängigkeit sollten bereits vorher durchdacht werden.
Vielen Dank Adrian für Deine direkten und wirklich detailierten Antworten.
Dietmar Hölscher führte das Interview mit:
Adrian Hotz (Dipl.-Kfm.) unterstützt Unternehmen bei der Strategieentwicklung, beim Aufbau von E-Commerce Abteilungen und bei der operativen Umsetzung. Hierzu gehört die Unterstützung bei der Software- und Dienstleisterauswahl und bei der Shop-Optimierung, insbesondere im Hinblick auf Personalisierung. Hersteller und Marken unterstützt er bei der Entwicklung von Marktplatzstrategien insbesondere in Bezug auf Amazon. Er ist Gründer der Adrian Hotz E-Commerce Beratung, Partner bei eTribes, Herausgeber von www.insideecommerce.de, Speaker auf E-Commerce-Konferenzen, Veranstalter des Events www.be.insideecommerce.de und als Gründungsmitglied im Beirat der factor-a GmbH, eine Full-Service Marktplatz-Agentur.
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