Oxid CEO, Roland Fesenmayr: Mir persönlich macht es gerade richtig Spaß

19. Juli 2017

[et_pb_section fb_built=“1″ _builder_version=“4.0.9″][et_pb_row _builder_version=“4.0.9″][et_pb_column _builder_version=“4.0.9″ type=“4_4″][et_pb_text _builder_version=“4.0.9″ hover_enabled=“0″]Am Rande der K5 in Berlin führte Dietmar Hölscher ein Hintergrundgespräch mir Roland Fesenmayr dem Vorstandsvorsitzenden der OXID eSales AG.

Hölscher Roland, mir wird immer wieder vorgeworfen, dass ich mich zu kritisch gegenüber OXID äußere, da ich ja vermeintlich aus dem Hause Shopware stamme. Wir kennen uns persönlich seitdem wir gemeinsam 2015 den PayPal Partneraward gewonnen haben. Und hatten seitdem nur einmal kurz auf der K5 in München gesprochen. Daher möchte ich die Gelegenheit nutzen, mit Dir einmal persönlich die Entwicklung und die Ausrichtung von OXID für die Zukunft des E-Commerce zu besprechen. Magst Du einmal die Geschichte aus Deiner Sicht erzählen?

Fesenmayr Gern. 2002 hatten wir die Idee für OXID. Das war so die Zeit, in der alle erstmal die Wunden nach dem Platzen der New Economy Blase geleckt haben. Wir waren damals ziemlich einhellig mit der Meinung konfrontiert, dass das Thema E-Commerce durch ist und nur ein paar große Verticals à la Amazon in Zukunft noch relevant sein würden. Unsere Vision war damals, ziemlich antizyklisch ein System zu schaffen, das gut verkauft, bezahlbar ist und dennoch technisch skaliert.

Wir haben dann zunächst mit der OXID eShop Professional Edition die Klein- und Kleinstkunden bedient und sind ziemlich gut und aus eigener Kraft gewachsen. So ab 2005 haben wir dann entschieden, die größeren Kunden mit der OXID eShop Enterprise Edition in den Blick zu nehmen. Einerseits, da wir schon die ersten Konsolidierungsbewegungen bei den kleinen Shops beobachtet haben, und andererseits, weil vor allem bei den Mittelständlern und größeren Unternehmen spannende Handelskonzepte entstanden sind, die richtig Potential hatten. Wir haben übrigens vom Start weg auf Agenturpartner gesetzt. Viele der Partner, wie übrigens auch Kunden der ersten Stunde, sind im Laufe der Jahre mit uns gemeinsam gewachsen und haben sich professionalisiert.

In 2006 haben wir dann Venture Capital an Bord geholt, um die Cloud Plattform OXID eFire aufzubauen und den Open Source Gang zu finanzieren. Zum einen die LBBW Venture und IBG aus Sachsen Anhalt. Wir haben die damalige eShop Version einem kompletten Refactoring unterzogen, bei dem wir auch die flächendeckenden Unit-Tests eingeführt haben, um für die Open Source Version gerüstet zu sein. Das war ein strategisch richtiger und wichtiger Schritt. 2009 haben wir den europäischen OpenSource Business Award für die konsequente Umsetzung der Strategie gewonnen.

Hölscher Warum ist dann Oxid Efire gescheitert?

Fesenmayr OXID eFire war damals eine richtig gute Idee. Allerdings wohl ein paar Jahre zu früh am Markt. Wir wollten das Beste aus den beiden Welten On Premise Software und Cloud Services verbinden. Der Hintergrund war, dass Kunden sich im Branding, der User Experience und dem Geschäftsmodell natürlich vom Wettbewerb differenzieren wollen. Wenn es aber darum geht, möglichst effizient einen Marktplatz, ein Payment-System, einen Logistiker oder eine Suchtechnologie zu integrieren, sind Skalierungseffekte erwünscht. OXID eFire war die Cloud-Plattform, die dem On Premise Shopbetreiber die Auswahl und Abrechnung, die technische Integration und das Management und Controlling der einzelnen Services entlang der gesamten E-Commerce Wertschöpfungskette erleichtert und effizienter gestaltet hat.

Wir hatten damals allerdings vor allem unterschätzt, wie aufwendig das Gattungsmarketing für eine solche Produktinnovation sein würde. Auch waren die Kosten für die Integration der einzelnen Services sehr hoch. Letztlich hat uns dann das Kapital gefehlt, OXID eFire auf das notwendige Umsatzniveau zu skalieren. Wir haben die Plattform daher dann bereits vor Jahren strukturiert wieder zurückgefahren und den Kunden entsprechende Alternativen auf Basis von OXID eShop Extensions angeboten.

Hölscher Wie kam es dann zu den hohen Verlusten in den Bilanzen?

Fesenmayr Da wir nach dem deutschen HGB bilanzieren, haben wir uns dazu entschieden, die Investitionen in die Software bilanziell nicht zu aktivieren, was sich bei Wachstumsunternehmen in diesen Investitionsjahren dann entsprechend direkt ergebnisseitig auswirkt und in der Bilanz auch sichtbar ist.

Die Softwarebranche ist eben People-Business und das ist ja auch das Schöne an unserer Branche. Mit Mitarbeitern mit unterschiedlichstem Backround den Handel von morgen mitzugestalten macht unglaublich viel Spaß und treibt uns an. Das bedeutet aber natürlich auch, dass große durch VCs finanzierte Investitionen in Technologie und Markterschließung in diesen Aufbaujahren dann auch als Verlust in der GuV und Bilanz auftauchen. Als Industrieunternehmen kann ich in Maschinen investieren, die über mehrere Jahre abgeschrieben werden. Wir haben in gute Mitarbeiter investiert. Und das ist auch gut so, denn von diesen Entwicklungen profitieren die Kunden heute.

Übrigens haben wir in 2016 nun auch die als stille Beteiligungen gewährten Mittel der VCs in die Kapitalrücklage gewandelt. Damit wird der Charakter der Investitionen als Eigenkapital auch in der Bilanz nochmal deutlich sichtbar.

Wir operieren heute als nachhaltig profitabel wachsendes Unternehmen im Markt, haben eine saubere Bilanz und sind komplett gesellschafterfinanziert. 2016 haben wir gut 6 Millionen Euro Umsatz gemacht und planen dieses Jahr ein zweistelliges Wachstum.

Mir persönlich macht es gerade richtig Spaß.

Hölscher Einige wichtige Mitarbeiter haben Euch ja auch in der Zeit verlassen und ließen vermuten, dass sich hier eine Spirale nach unten entwickelt!?

Fesenmayr OXID ist in den letzten Jahren nochmal deutlich erwachsener geworden und wir haben mit der Fokussierung auf den B2C Enterprise und B2B-Markt das Unternehmen nochmal kräftig umgebaut.

Es gibt auf einem solchen Weg auch immer eine gewisse Fluktuation. Nicht alle Mitarbeiter können oder möchten eine solche Neuausrichtung mitgehen. Für den Change-Prozess, den wir durchlaufen haben, war der Wechsel nicht sehr hoch. Es sind in den letzten Monaten vor allem auch eine Menge richtig guter Leute zu OXID gestoßen. Wir haben im Moment wirklich ein super motiviertes und kompetentes Team am Start.

Hölscher Wie stellt sich Oxid denn für die nun Zukunft auf?

Fesenmayr Wir haben nachdem wir uns sukzessiv von Kleinkunden in den Enterprise Markt gearbeitet haben vor ca. 4 Jahren noch einmal mehr auf das B2B Segment konzentriert.

Dieses Feld hat auf der einen Seite noch ein bisschen Nachholbedarf und auf der anderen Seite ein sehr großes Potential. Zudem haben wir gesehen das Unternehmen aus dem B2B Bereich nach Lösungen suchen, die das was im B2C Bereich Standard ist um B2B spezifische Prozesse und Anforderungen erweitert.

Einfach dadurch getrieben das Kunden aus dem B2B Bereich auch erkannt haben, das Kundenbindung und Crossupselling eine Relevanz haben und an Relevanz gewinnt. Zudem sind Einkäufer halt auch Menschen die privat z.B. bei Zalando einkaufen und die Erwartung haben das im B2B Sektor eine ähnlich professionelle Plattform zur Verfügung steht.

Wir glauben das wir in einigen Jahren nicht mehr über B2B und B2C sprechen werden, sondern das es verschmelzen wird und B2B2B2C stärker im Fokus sein wird.

Hölscher Wie genau sieht dieser Wandel aus?

Fesenmayr Unser Fokus sind Unternehmen im gehobenen Mittelstand, die sich den Herausforderungen der Digitalen Transformation stellen müssen. Das klingt jetzt ein bisschen abgedroschen, weil sich das wahrscheinlich jede zweite Agentur auf die Fahnen schreibt. Für uns heißt das aber ganz konkret, dass wir Produktentwicklung, Marketing, Vertrieb und Service-Angebot auf Kunden ausrichten, die als (Marken)Hersteller, Versandhändler, Filialist oder Großhändler seit Jahrzehnten, wenn nicht seit Generationen im Geschäft sind. Diese Unternehmen haben etablierte Geschäftsmodelle, die es Schritt für Schritt zu digitalisieren gilt. Für uns heißt das, dass unsere Software einfach zu customizen und sehr skalierbar sein muss. Bei diesen Unternehmen sind im Laufe der Jahre auch viele Systeme von ERP über CMS bis PIM eingeführt worden, die es zu integrieren gilt.  Sie bedeuten gute und offene Schnittstellen für uns. Und im Gegensatz zu E-Commerce Startups haben diese Unternehmen E-Commerce noch nicht in ihrer DNA und sind darauf angewiesen, diesen Weg der digitalen Transformation mit zuverlässigen Partnern zu gehen. Deshalb ist für uns die Pflege und der Ausbau unseres Ökosystems so wichtig.

Einen großen Nachholbedarf im Mittelstand sehen wir aktuell noch bei den B2B-Herstellern und Großhändlern. Für diese haben wir 2016 die OXID eShop Enterprise B2B Edition auf den Markt gebracht. Die bringt alles mit, was im B2C etabliert ist. Zusätzlich verfügt sie über Funktionen, die den B2B-Beschaffungsprozess im Handel zwischen Unternehmen effizienter machen.

Die Zukunft sehen wir aber ganz klar im Verschmelzen beider Welten. Zukünftig wird es nicht B2C oder B2B geben, sondern eine durchgängige Prozesskette vom Produzenten zum Endkonsumenten unter Einbeziehung aller Handelsstufen.

Hölscher Wie genau sieht dieser Wandel aus?

Fesenmayr Heute ist es selbstverständlich, dass ein Onlineshop ins Lager schaut. In ein paar Jahren wird er direkt in die Produktion schauen. Diese wird im Zuge von Industrie 4.0 komplett digitalisiert sein, bis hinein in die Prozesse der Zulieferer. Das wird wahnsinnig spannend. Ein Versprechen von Industrie 4.0 ist die Fertigung im industriellen Maßstab in Losgröße 1. Mit anderen Worten Mass-Customizing wie wir es heute von T-Shirts und Co. kennen. Und dass zu Preisen und Produktionsgeschwindigkeiten, wie sie heute nur in der Massenproduktion möglich ist.

Die Vernetzung der Produkte macht auch komplett neue Geschäftsmodelle möglich, in denen physische Produkte mit Online Services veredelt werden oder aus der Kombination was ganz Neues entsteht. Für den E-Commerce kann das z.B. neue nutzungsbasierte Abrechnungsmodelle statt einer Einmalinvestition bedeuten. Im B2B sehen wir das heute schon öfter im Mietgeschäft mit Investitionsgütern, zum Beispiel Baumaschinen, die mitsamt Fahrer vermietet werden. Auch im B2C werden die Modelle zunehmend ausgefeilter und in der Breite verfügbar. Am Ende ist das auch ein Thema von enormer gesellschaftlicher Relevanz. Hersteller können in Zukunft nachhaltigere, langlebigere Produkte produzieren, weil sie Wertschöpfung jenseits des Einmalverkaufs generieren.

Noch einen Schritt über die Vernetzung von Produkten hinaus geht es, wenn einzelne Bauteile online kommunizieren. Im Ersatzteilgeschäft sehen wir das heute schon, bis zu predictive ordering, also automatisierten Bestellungen bevor ein Verschleißteil überhaupt ausfällt.

Im September planen wir dazu übrigens gerade eine Think Tank Veranstaltung mit Experten in Karlsruhe, nachdem wir das Thema Handel und Industrie 4.0 auf der letzten OXID Commons schon intensiv diskutiert haben.

Hölscher Hat der normale Retail oder Einzelhandel denn überhaupt noch eine Chance? Ich sehe das seit Jahren sehr kritisch.

Fesenmayr In Zeiten in denen E-Commerce Same Day Delivery verspricht und Hersteller mit dem Endkunden eine direkte Bindung aufbauen, wird es der Einzelhandel als reiner Distributionskanal sehr schwer haben. Einfach dasselbe Produkt, wie es im Internet massenhaft versandkostenfrei verfügbar ist, nur teurer auf der Fläche zu verkaufen, reicht nicht. Der Retail wird sich vielfach neu erfinden müssen. Es gibt dafür allerdings kein Patentrezept. Eine Omnichannel-Strategie ist immer hoch individuell auf den jeweiligen Anbieter zugeschnitten und verzahnt mit dem reinen Commerce auch sehr stark Service und Content. Ziel ist es dabei, die Marke unverwechselbar zu machen und ein kanalübergreifendes Erlebnis und Mehrwert zu schaffen. Dabei ist es immer trügerisch, wenn man nur die Online-Umsätze betrachtet und diese mit Pure Playern vergleicht. Entscheidend ist was unterm Strich für den Retailer rauskommt.

Ein spannendes, aber herausforderndes Geschäft. Wir arbeiten wahnsinnig gern mit diesen Unternehmen, weil sie Substanz haben und viel Erfahrung mitbringen. Diese Unternehmen wollen nicht die Flügel strecken, nur weil jetzt Zalando oder Amazon den Markt aufmischen. Sie sind mittlerweile bereit, Schritt für Schritt aber konsequent in die digitale Welt zu gehen. Und genau diese Unternehmen wollen auf ihrem Weg durch einen Hersteller wie OXID und unsere Dienstleistungspartner auf Augenhöhe begleitet werden.

Hölscher Roland, ich danke Dir für die Einblicke hinter die Kulissen von OXID und den doch positiven Ausblick.[/et_pb_text][/et_pb_column][/et_pb_row][/et_pb_section]